Der Schwarzwald war im 19. Jahrhundert alles andere als eine Idylle: Wohlhabende Großbauern, deren stattliche Höfe heute das historische Bild vom Schwarzwald prägen, stellten nur eine Minderheit dar. Bevölkerungswachstum, Missernten, Erbteilung und eine Reihe anderer Faktoren hatten in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts die Versorgung der Schwarzwälder mit dem Lebensnotwendigsten immer schwieriger werden lassen. Wohl betrieb jeder, der noch so kleinen Grundbesitz hatte, Landwirtschaft. Noch die schlechtesten Böden und kleinsten Parzellen wurden bewirtschaftet. Möglichkeiten des Nebenverdienstes gab es durch Tagelöhnerei, Tätigkeiten im Handwerk oder Arbeit in der Heimindustrie wie in der Uhrenfabrikation oder der Weberei, doch ließ sich damit kein Wohlstand erwerben. Mehrheitlich lebte die Bevölkerung in Armut. Indikator ist die Auswanderung nach Übersee: Abertausende verließen den Schwarzwald, weil sie in ihrer Heimat keine Zukunft mehr sahen. Im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts setzte dann ein Entwicklungsprozess ein, der die traditionelle Lebensweise im Schwarzwald grundlegend verändern sollte: Der Erschließung durch die Eisenbahn folgten die Ansiedlung von Industriebetrieben und der Tourismus, neue Anbaumethoden steigerten die Erträge der Landwirtschaft.
Der Vortrag will einen Überblick zur Wirtschafts- und Alltagsgeschichte des Schwarzwaldes im 19. Jahrhundert geben, einer Epoche des Umbruchs, in der die Wandlung von der traditionellen Agrar- hin zur Industriegesellschaft begann - ein Prozess, der bis weit in das 20. Jahrhundert hinein andauern sollte.